Oscars 2009 Postmortem
Eigentlich wollte ich auf einen Artikel zu den diesjährigen Oscar-Verleihungen ganz verzichten, aber obwohl ich die Show nicht ganz gesehen habe, möchte ich mit der Tradition doch nicht ganz brechen und wenigstens für das Archiv die Ergebnisse kommentieren. Zur Show selbst hier nur ein paar Worte: die groß angekündigte Reinvention scheint kaum stattgefunden zu haben, denn die neuen Produzenten Bill Condon und Laurence Mark hatten unter der glitzernden Oberfläche nichts wirklich Neues zu bieten. Hugh Jackman als singenden und tanzenden Showman zu engagieren war zwar keine schlechte Idee, aber herausgekommen ist dabei mehr eine Tour de Force mit viel aufgesetztem Humor und wenig Selbstironie. Immerhin wurden die Preise dann doch ganz fair, wenn auch etwas einseitig verteilt…
Slumdog Millionaire hat sie alle geplättet – was zu einem Forrest Gump-Jahr für The Curious Case Of Benjamin Button hätte werden können, kam dann doch ganz anders. Acht Oscars für den besten Film, die Regie, die Drehbuch-Adaption, Kamera, Filmschnitt, Musik, Song und Tonabmischung gingen an die kleine britische Filmproduktion, die nur 15 Millionen Dollar gekostet hatte und beinahe erst gar nicht in die amerikanischen Kinos gekommen wäre. Vielleicht ist es einfach ein Zeichen der finanziellen Krise, daß ein “From Rags to Riches”-Märchen einen schwer vom Marketing gepushten, uramerikanischen Film wie Benjamin Button überrollt, der sich nur mit drei technischen Oscars für Art Direction, Makeup und Visual Effects begnügen mußte.
Auch bei den Schauspielern gab es zumindest zwei Überraschungen: Penelope Cruz gewann für ihre Rolle in Woody Allens Vicky Cristina Barcelona als beste Nebendarstellerin und Sean Penn konnte sich als Hauptdarsteller von Milk unter anderem gegen Mickey Rourke, Brad Pitt und Frank Langella durchsetzen. Vorprogrammiert war dagegen Kate Winslets erster Oscar nach sechs Nominierungen für das Holocaust-Drama The Reader und Heath Ledgers posthume Auszeichnung als bester Nebendarsteller in The Dark Knight. Letzteres war aus Pietät und Takt natürlich unausweichlich, aber es gibt geteilte Meinungen darüber, ob Ledger auch unter anderen Umständen gewonnen hätte.
Da Slumdog Millionaire und The Curious Case of Benjamin Button den größten Teil der technischen Kategorien in Beschlag genommen hatten, blieb für andere Filme nicht mehr viel übrig. Ben Burtts fantastischen Sound-Design von WALL-E mußte gegen das Trostpflaster für The Dark Knight zurücktreten und die Auszeichnung für das Kostümdesign ging erwartungsgemäß an das sonst völlig ignorierte britische Historien-Drama The Duchess.
Als bester Dokumentarfilm wurde überraschenderweise Man On A Wire ausgezeichnet, der einen 35 Jahre zurückliegenden Hochseil-Spaziergang zwischen den Twin Towers des World Trade Center begleitet – verloren hatte unter anderem Werner Herzogs Antarktis-Dokumentation Encounters at the End of the World. Bei den Dokumentar-Kurzfilmen konnte sich Smile Pinki durchsetzen, der ein Mädchen aus den indischen Slums mit einer gespaltenen Oberlippe begleitet, dem durch die Smile Train-Organisation eine Operation ermöglicht wurde.
WALL-E hat erwartungsgemäß den Oscar für den besten Trickfilm gewonnen, wobei Dreamworks’ Kung Fu Panda der Academy offenbar nicht anspruchsvoll genug war und Disneys Bolt sowieso keine ernsthafte Chance hatte. WALL-E konnte leider genauso wie Ratatouille im letzten Jahr seine anderen Nominierungen für das Drehbuch, die Musik, den Song, den Tonschnitt und die Tonmischung nicht gewinnen, was besonders bei letzteren schon sehr erstaunlich ist – Ben Burtt hätte für seine hervorragende Arbeit eigentlich den Oscar für den besten Tonschnitt verdient.
Und dann wäre da noch die Kategorie des besten ausländischen Films, die diesmal ausnahmsweise nicht der deutsche Kandidat, Uli Edels zurecht viel kritisierter Baader-Meinhof-Komplex gewonnen hat, sondern der japanische Film Departures – auch der israelische Trickfilm Waltz with Bashir, der österreichische Thriller Revanche und das französische Lehrerdrama Entre Les Murs konnten die Academy nicht begeistern. In der Kurzfilm-Kategorie gewann mit Spielzeugland aber wieder einmal ein deutsches Nazi-Holocaust-Drama – es wäre ja auch ein Wunder, wenn einmal eine Oscar-Verleihung ohne dieses Thema auskommen würde!
Ein Ehrenoscar wurde dieses Mal nicht vergeben, aber der Jean Hersholt Humanitarian Award, den, wie schon lange vorher angekündigt wurde, der 82-jährige Komiker Jerry Lewis für sein Engagement in der von ihm mitgegründeten Muscular Dystrophy Association bekam.
Der große Verlierer waren dieses Jahr vor allem Ron Howards Frost/Nixon, der fünfmal nominiert wurde, aber überhaupt nichts gewann. Diemal waren die Oscars überhaupt auffällig unpolitisch, als ob die Academy sich gerade jetzt nicht mehr viel trauen würde – in dieser Richtung war in den vorherigen Jahren schon bedeutend mehr los.
Die Einschaltquoten sind zwar vom Allzeit-Tief von 32 Millionen auf 36 Millionen gestiegen, was aber immer noch meilenweit weit weg von den goldenen Zeiten um die Jahrtausendwende ist. Aber es gibt ja immer noch nächstes Jahr und wenn die Gerüchte stimmen, daß möglicherweise Billy Crystal wieder die Oscar-Bühne betreten wird, dürfte die nächste Show wieder richtig sehenswert werden.
Zum Abschluß muß man aber noch ein Lob für Pro7 aussprechen, denn dieses Jahr wurde die Oscar-Verleihung das erste Mal in 16:9 und deutlich besserer Bildqualität als früher ausgestrahlt. Allerdings haben wir das wohl hauptsächlich dem Lizenzgeber zu verdanken, von dem Pro7 den Feed aus den USA bekommt und der nun endlich statt der murksigen NTSC-PAL-Normwandlung eine saubere Konvertierung des HD-Signals liefert. An eine HD-Ausstrahlung ist hier in Deutschland aber wohl nicht zu denken, seit Pro7 seine HD-Kanäle wieder dichtgemacht hat – aber hoffentlich bleibt es bei den Oscars auch in Zukunft bei einer vernünftigen 16:9-Ausstrahlung.